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Voller Körperkontakt
2004

Für Jake
1976 - 2004
Wellenreiter und Freund

Das ist wirklich albern! Ein Seemann und Taucher, der Angst vor dem Wasser hat. Zwanzig Jahre lang bin ich zur See gefahren und noch heute ist das Meer die große Liebe meines Lebens. Das Meer war nie ein “Ding” für mich, sondern immer ein Wesen mit Leib uns Seele. Auf großen und kleinen Schiffen habe ich meine Liebe besucht, an den Küsten von fünf Kontinenten bin ich in ihre Korallenriffe und Tangwälder getaucht und habe Felsnadeln “bestiegen”, die man nur unter Wasser finden kann. Aber eins habe ich nie getan: Eine Welle reiten!

Auch nach einer lebenslangen Liebe habe ich einen wichtigen Teil des Meeres nie berührt. Aus Angst! Denn der erste Tag, den ich mit meiner Liebe verbrachte, endete mit einem Schlag ins Gesicht. Ich war ein junger Decksmann, dem noch keine Seebeine gewachsen waren. Und in einem unbedachten Moment erwischte mich eine Welle, wusch mich 10 Meter über Deck und bescherte mir eine Gehirnerschütterung und ein paar geprellte Rippen.

Ich habe damals nicht meine Liebe verloren, aber bestimmte Körperteile der Dame Meer waren seitdem für mich tabu. Das war zwar langweilig, aber sicher. Manchmal vermisste ich die Aufregung ein wenig, manchmal kam es mir vor als führte ich eine Ehe mit einem ausgesprochen langweiligen Liebesleben. Und manchmal beneidete ich die, die den Mut hatten, meine Liebe überall zu berühren: die Hochseepaddler, die Kanalschwimmer und die Surfer. Aber meistens konnte ich doch einfach nicht verstehen, warum diese verrückten sich freiwillig für K.O. Schläge und Leberhaken meldeten.

Und dann sah ich Jake. Bei ihm sah es so einfach aus! Bei ihm war surfen das, was es sein sollte: Spaß, Aufregung und Erleuchtung. Eine spirituelle Erfahrung. Jake zeigte mir erogene Zonen an meiner Geliebten, von denen ich keine Ahnung hatte. Leider zeigte er mir das alles erst, nachdem er gestorben war.

Es war am Abend nach Jakes plötzlichem und unerwarteten Tod. Wir waren alle unter Schock und hielten uns im Haus seiner Eltern gegenseitig fest. Und dann zeigte uns seine Frau einen unglaublichen Film: Jake beim Surfen einer Riesenwelle. Ich wusste, das war, wo Jake seinen Gott fand, ich wusste, dass er uns beobachtete und sich wünschte, wir könnten den Spaß mit ihm teilen.

Vor ein paar Tagen haben wir Jakes Asche dem Meer anvertraut und ich habe ihm etwas versprochen: Ich werde meiner Liebe endlich die Aufmerksamkeit schenken, nach der sie sich schon so lange sehnt. Voller Körperkontakt. Für Dich, Jake!


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